Die Komposition ist ein in den Sprachen der Welt weitverbreitetes und hochproduktives Wortbildungsmuster. Dies gilt insbesondere für die germanischen Sprachen. Seine grundlegende Bedeutung für das Sprachsystem zeigt sich u.a. darin, dass dieses Wortbildungsmuster im kindlichen Spracherwerb früh erworben wird (für einen Überblick siehe Nicoladis 2006, Berman 2009, Dressler et al. 2010). Jackendoff (2002, 2010) betrachtet die Komposition als einen Überrest aus einer evolutionären "Protosprache", die u.a. durch einen dominanten Status von Lexik und Pragmatik und die Abwesenheit von grammatischen Kategorien wie Flexionsmorphologie gekennzeichnet ist. Die grundlegende Bedeutung für das Sprachsystem zeigt sich u.a. an der Formbeständigkeit des Musters, dem frühen Zeitpunkt des Erwerbs und einem hohen Grad an Resistenz gegenüber Sprachstörungen (vgl. dazu auch Gaeta 2008). Ungeachtet der zentralen Bedeutung und der anhaltenden Beachtung, die die Komposition in der linguistischen Forschung erfährt, ist diese jedoch weit davon entfernt, eindeutige, universal geltende Kriterien angeben zu können, um zu definieren, was ein Kompositum ist und wie es von syntaktischen und anderen morphologischen Mustern abzugrenzen ist (Guevara & Scalise 2009, Gaeta & Ricca 2009). Obwohl die Komposition in den germanischen Sprachen generell ein produktives Wortbildungs-muster ist, nimmt das Deutsche in verschiedener Hinsicht eine besondere Stellung ein, wie sich im Vergleich mit den eng verwandten westgermanischen Sprachen Englisch und Niederländisch zeigt. Das betrifft zunächst die Identifizierung und Abgrenzung von Komposita gegenüber phrasalen Einheiten: Durch die Erstbetonung und die fehlende Flexion von flektierbaren Ersteinheiten können nominale Komposita im Deutschen eindeutig identifiziert und gegenüber nominalen Phrasen abgegrenzt werden. Diese Unterscheidung spiegelt sich auch in der einheitlichen Getrenntschreibung (im Falle der Phrasen) bzw. Zusammenschreibung (bei Komposita) wider (zur Abweichung von der normgerechten Zusammenschreibung siehe Scherer in diesem Band). Im Englischen hingegen ist eine eindeutige Korrelation von Betonungsmuster und Kompositums-/Phrasenunterscheidung schwieriger. Außerdem entfällt im Englischen, als Folge der weitgehenden Flexionslosigkeit, die An-bzw. Abwesenheit von Flexion des Erstgliedes als struktureller Hinweis auf die formale Einordnung (vgl. Deutsch Feingold / feines Gold und Englisch fine gold), sodass sich eine