Nichtrostende austenitische Stähle erfahren in chloridhaltigen Angriffsmitteln Spannungsrißkorrosion nicht nur im passiven Zustand bei erhöhter Temperature, sondern auch im Zustand der aktiven Korrosion bei Umgebungstemperatur. Diese aktive Spannungsrißkorrosion wurde für 18/8 Chrom‐Nickel‐Stähle in schwefelsauren Natriumchlorid‐Lösungen durch potentionstatische Halteversuche mit gespannten Proben untersucht, wobei kritische Potentiale der Spannungsrißkorrosion ermittelt wurden. Ein Vergleich mit potentiodynamisch gemessenen Strom‐Potential‐Kurven zeigt, daß diese kritischen Potentialbereiche der Spannungsrißkorrosion mit den Potentialbereichen der aktiven Auflösung des Stahles bei Abwesenheit mechanischer Spannungen identisch sind.
Auch in siedender 42%iger Magnesiumchlorid‐Lösung erfolgt aktive Spannungsrißkorrosion in einem schmalen Potentialbereich bei Potentialen, die negativer sind als das kritische Grenzpotential der Spannungsrißkorrosion im passiven Zustand. Durch Zusatz von Molybdän wird der Potentialbereich der aktiven Spannungsrißkorrosion eingeengt, durch Nickelzusätze erweitert. Werkstoff Incoloy 800 mit 32 Gew.‐% Nikkel ist in dem bei der Prüfung in 42% iger Magnesiumchlorid‐ Lösung interessierenden Potentialbereich ausschließlich aktiv, wird jedoch in diesem Zustand nur schwach durch Spannungsrißkorrosion angegriffen.
Ursache der Spannungsrißkorrosion im aktiven Zustand ist die Ausbildung einer unvollständig schützenden Schicht von adsorbierten Chloridionen, die örtliche Unterschiede des anodischen Verhaltens ermöglicht. Bei hinreichend negativen Potentialen kann diese Adsorbtionsschicht ein Dickenwachstum erfahren, so daß makroskopische Salzdeckschichten entstehen. Die chemische Zusammensetzung einer solchen, in Magnesiumchlorid‐Lösung gebildeten Deckschicht wurde untersucht, sie besteht praktisch ausschließlich aus Nickelchlorid.