Für die chloridinduzierte Spannungsrißkorrosion mit transkristallinem Rißverlauf in nichtrostendem austenitischem 18Cr10Ni‐Stahl besteht eine Grenztemperatur zwischen 45 und 50°C. Diese Grenztemperatur gilt jedoch nur für den passiven Zustand des Werkstoffs in annähernd neutralen Chloridlösungen. Im aktiven Zustand kann Spannungsrißkorrosion mit transkristallinem Rißverlauf bei Temperaturen bis herab zu Raumtemperatur auftreten. Der aktive Zustand wird durch stark saure, hochchloridhaltige wäßrige Angriffsmittel erzeugt. Adhärierende Wasserfilme mit diesen Eigenschaften können auf Bauteilen in Hallenschwimmbädern entstehen, wenn das Schwimmbadwasser durch Zugabe von Chlor desinfiziert wird. Unter diesen Voraussetzungen sind Schäden an austentischen CrNi‐ und CrNiMo‐Stählen durch transkristalline Spannungsrißkorrosion bei Raumtemperatur möglich und auch tatsächlich aufgetreten.
Spannungsrißkorrosion mit vorwiegend interkristallinem Rißverlauf ist bei Raumtemperatur auch möglich, wenn austenitische nichtrostende Stähle mit sensibilisierten Gefügezuständen verwendet werden. Unter diesen Bedingungen wird der Korrosionsangriff durch unspezifische Angriffsmittel, z. B. chloridfreie adhärierende Wasserfilme, erzeugt. Der Rißverlauf, interkristallin oder gemischt, hängt von der Spannungshöhe ab.