Die Debatte um "Ökonomisierung" hat eine fast ebenso lange Geschichte wie die Soziologie, wenngleich sie auch teils unter anderen Begriffen geführt wurde und der Begriff selbst vieldeutig ist, worauf Norman Braun und Tobias Wolbring (2012), Armin Nassehi (2012) und Birger Priddat (2013) zu Recht hingewiesen haben. Gemeint sein kann mit "Ökonomisierung" zunächst eine Kritik an den wirtschaftswissenschaftlichen Methodologien und Methoden (Braun / Wolbring 2012). Betrachtet man diese, fällt ein reichhaltiger Fundus an vor allem quantitativ orientierter ökonomischer Forschung auf, der allerdings zwei fundamentale Schwächen aufweist: 1. Ökonomische Daten kämpfen mit denselben Mess-und Stichprobenproblemen wie soziologische Datenquellen (wobei Soziologie und Ökonomie häufig sogar dieselben Datenquellen verwenden), im Gegensatz zur Soziologie reflektiert die Ökonomie aber nur selten die Qualität, Stärken und Schwächen ihrer Daten. Betrachtet man diese (z.B. Baur 2001: 85-93, 2011), dann müssten auch Ökonomen angesichts der Schwächen dieser Daten wesentlich häufiger auf alternative Datenquellen oder einen Methoden-Mix zurückgreifen. 2. Die Ökonomie arbeitet v.a. mit statistischen Modellen, die aber oft gegensätzliche Ergebnisse aufweisen, was auf den ersten Blick unverständlich erscheint. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass in die statistische Modellbildung sehr unterschiedliche Grundannahmen eingehen (Baur 2001: 76-78). Dies verdeutlicht einerseits, dass ökonomische Methoden mitnichten theorieneutral sind. Andererseits verweist dies auf eine zweite Bedeutung des Begriffs "Ökonomisierung", nämlich eine grundsätzliche Kritik an den Wirtschaftswissenschaften und ihren Theorien (Braun / Wolbring 2012). Ausgangspunkt fast aller dieser Debatten ist das neoklassische Marktmodell, welches den Markt isoliert von der Gesellschaft, vom Staat und von anderen Rahmenbedingungen analysiert (Baur 2013 a). Auf idealen Märkten ist der Wettbewerb vollkommen, und alle Marktakteure haben vollständige Informationen über Angebot, Nachfrage und Preisstrukturen. Weiterhin unterstellt die Neoklassik das Modell des homo oeconomicus, d.h. sie nimmt an, dass Akteure in sich konsistent handeln, über eine klar definierte Präferenzstruktur verfügen und insofern zweckrational ihre eigenen Interessen verfolgen, als dass ihnen egal ist, an wen sie verkaufen bzw. von wem sie kaufen. Entscheidend ist allein, als Verkäufer den bestmöglichen Preis für die größtmögliche Menge des verkauften Gutes zu erzielen und als Käufer möglichst viele Güter zum geringstmöglichen Preis zu erwerben (Baur 2008 a). Dieses Theoriemodell ist der soziologischen Rational Choice-Theorie sehr ähnlich (Braun / Wolbring 2012). Zwar lässt sich-wie Braun und Wolbring (2012: 393) argumentieren-empirisch (zumindest bisweilen) beobachten, dass der "moderne Mensch seine Vernunft einsetzt, um seine Interessen innerhalb der gesetzten Beschränkungen zu realisieren", aber ich stimme den beiden