Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung
Gefährdungssituationen im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung von Personen mit vermuteter extremistischer Einstellung spielen insbesondere in den letzten Jahren vermehrt eine Rolle. Eine Befragung von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen soll Aufschluss über konkrete Gefährdungslagen bei diesen Patient:innen geben.
Material und Methoden
Mittels einer anonymen Online-Befragung, welche 16 Haupt- und bis zu 95 weitere Fragen umfasste, wurden insgesamt 364 Angehörige von Heilberufen zur allgemeinen Situation und zu Patient:innen sowie Angehörigen mit vermuteter extremistischer Einstellung befragt.
Ergebnisse
17,5 % der Teilnehmenden sind Ärzt:innen, 72,1 % nichtärztliche Psychotherapeut:innen bzw. in Ausbildung (47,7 % arbeiten ausschließlich in einer Klinik, 34,2 % in einer niedergelassenen Praxis). Insgesamt haben 57,7 % der Teilnehmenden schon einmal Patient:innen mit vermuteter extremistischer Einstellung behandelt (46,7 % behandelten Angehörige). 27,6 % wurden im Rahmen der Krankenbehandlung mit Selbstgefährdungssituationen konfrontiert (30,1 % bei Angehörigen), 49,5 % mit Situationen der Fremdgefährdung (18,3 % bei Angehörigen), bei denen sie sich häufig im Umgang damit nicht sicher gefühlt haben. 20,3 % der Fachkräfte informierten die Sicherheitsbehörden, nicht ganz die Hälfte empfand diesen Kontakt als eher nicht/gar nicht hilfreich (45,5 % bei Angehörigen). Kontakt zu anderen Stellen, zum Beispiel auch zu spezialisierten Fachberatungsstellen für Deradikalisierung, hatte die Mehrheit nicht. Ärzt:innen erlebten Gefährdungssituationen häufiger als nichtärztliche Psychotherapeut:innen. Ein Vergleich zwischen Fachkräften aus der Klinik und niedergelassenen Praxis zeigt keine bedeutsamen Unterschiede.
Diskussion
Die Studie konnte zeigen, dass Extremismus und damit einhergehend Gefährdungslagen ein wichtiges Thema in der Krankenbehandlung sind und Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen darauf gut vorbereitet sein sollten. Für die Zukunft wäre eine Vernetzung mit Stellen der Extremismusprävention wichtig und eine gute Kooperation mit den Sicherheitsbehörden wünschenswert.