ZusammenfassungBei aller Funktionalität bestehen im Krankenhaussystem als störende Auswirkungen von Gesundheitspolitik und -ökonomie moralisch problembesetzte, institutionelle Missstände, wie z. B. Ressourcenknappheit, Fehlversorgung, Überverrechtlichung und Überbürokratisierung. Letztere stellen die anwendungsorientierte Ethik vor Herausforderungen, welche die ärztliche Standesethik allein nicht behandeln kann. Speziell auf solche Probleme bezogen, erlangt das Potenzial der Geisteswissenschaften gegenwärtig vermehrtes Interesse. Die Gedanken der Philosophin Hannah Arendt können gerade in Krisenbedingungen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, da die Denkerin grundlegende Probleme der Moderne benennt und mit aktuellem Bezug diskutiert. Arendt prägte einst, im Rahmen des historischen Kontextes des NS-Regimes, die These von der „Banalität des Bösen“ und damit zusammenhängende Begriffe und Feststellungen. Ihre zentralen Aussagen – mit dem Ziel, Missstände und Übel zu dechiffrieren – sind gegenwärtig hochaktuell, weil sie gewisse, in Institutionen zu findende, allgemeine menschliche Verhaltensweisen und Eigenschaften, wie z. B. Unreflektiertheit, bürokratisch-rechtliche Dienstbeflissenheit, kleinteilig-akribische Regelkonformität, Indifferenz, Mitleidlosigkeit und das Abschieben von Problemen thematisieren. Die Analyse auf systemischer, als auch auf der Ebene der Akteure zeigt, dass sich teilweise einige Arendtsche Feststellungen in den Missständen gegenwärtiger Krankenhausstrukturen wiederfinden lassen. In Anlehnung an Arendt wurde konsequenterweise der Begriff der „Banalität eines Missstandes“ etabliert. Weiterführend kann dadurch ein medizin-ethisch relevantes Problem benannt, bewusstgemacht und konturiert werden, um diesen Entwicklungen entgegenzusteuern.