ZusammenfassungDer Artikel analysiert am Beispiel des amerikanischen Motivationspsychologen David C. McClelland, wie Psychologen in den langen 1960er Jahren über die Verbreitung ihres Wissens als großzügige Wissensspender mit gesellschaftspolitischer Agenda auftraten, ohne dabei das Feld der institutionalisierten Politik betreten zu müssen. Untersucht wird eine vermeintlich passive Form von Aktivismus jenseits von Lobby- und Beratertätigkeit, die sich den „Umweg“ über die Politik zu ersparen hoffte, indem sie Bürger zur Selbststeuerung animierte, um damit Veränderungen herbeizuführen, die angeblich jenseits strukturverändernder Maßnahmen lagen. Anhand zweier Fallbeispiele wird argumentiert, dass sich das häufig als „neoliberal“ eingeordnete Prinzip der Selbststeuerung parallel zur strukturverändernden Planungspolitik entwickelte und nicht erst deren Scheitern voraussetzte. Weil dies häufig auf unternehmerischem Weg geschah, führte dies in der Psychologie zur Entstehung des Unternehmer-Wissenschaftlers, der Wissenschaft, Training und gesellschaftliche Reform als Geschäft betrieb. Anders als die politische Einflussnahme durch Lobbyismus war diese Form des scientific political activism zwar direkt, insofern unmittelbar auf einzelne gesellschaftliche Gruppen eingewirkt wurde, hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten aber auch prekär, weil die Frage, ob die Adressierten das ihnen Angebotene für sich zu übernehmen bereit waren, von Bedingungen abhingen, auf die die beteiligten Wissenschaftler keinen Einfluss hatten. Schon in den langen 1960er Jahren, so das Fazit, waren Programme, die auf die Aktivierung des Individuums setzten, Teil dessen, was wir als staatlich gesteuerte Wohlfahrtspolitik erinnern.