Gut vier Jahrzehnte nach der »Sexuellen Revolution« scheint es en vogue zu sein, über Anzeichen eines Endes des Sexualitätszeitalters nachzudenken: sei es in der eher zurückhaltenden Analyse Volkmar Siguschs, der in seinem Buch Neosexualitäten dem verlorenen Glanz der Sexualität nachtrauert; in den sich radikal und hoffnungsvoll gebenden literarischen und philosophischen Entwürfen »postsexueller« Beziehungsformen, wie sie etwa bei Michel Houellebecq zu finden sind; oder in der aktuellen Kunst und Kulturtheorie, in der Marie-Luise Angerer eine Tendenz entdeckt, nicht mehr das sexuelle Begehren zu thematisieren, sondern im »Affekt die neue Begehrensform einer globalisierten Welt« zu sehen. 1 Hoffnungslos veraltet scheinen nicht mehr nur diejenigen zu sein, die auch heute noch die neue »freie« sexuelle Welt feiern, die »wir« durch die damaligen und im Anschluss daran ausgefochtenen Kämpfe gewonnen haben. 2 Zur Diskussion steht vielmehr, ob die Sexualität als eine der grundlegenden Formen der Produktion von Körpern und Subjekten in der Moderne auch im beginnenden 21. Jahrhundert noch denselben Stellenwert hat-und haben soll. Während bei Sigusch ein gewisses Bedauern über diese Entwicklung, ein Beklagen der »kulturellen Dissoziation der alten Einheit Sexualität« 3 in der »Konsumgesellschaft«, unübersehbar ist, versprechen sich andere Stimmen viel davon, wenn ganz unterschiedliche »Akteure« oder »Aktanten« nicht mehr über die symbolisch strukturierten Differenzen der »alten« Sexualität zueinander finden, sondern über spontane Kopplungen in Körper-»Gefügen«, wie dies manche Spielarten aktueller Theorieproduktion in Aussicht stellen. 4 Man könnte nach den Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken dieser Analysen und der sich darauf stützenden theoretischen und politischen Programme oder auch nach deren Einfluss auf heutige Arrangements von sexuellen Kör
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