ZusammenfassungDieser Beitrag untersucht die Frage, welche Bezugsdauern des Arbeitslosengeldes für welche Personengruppen als angemessen betrachtet werden und ob sich diese Einschätzungen während der Covid-19-Pandemie verändert haben. Längere Bezugsdauern können die Einkommenssituation der Betroffenen stabilisieren und die Suche nach einer qualifikationsadäquaten oder besser entlohnten Stelle unterstützen. Längere Zahlungen mindern aber auch den Druck zur Arbeitsaufnahme, wodurch die Dauer der Arbeitslosigkeit zunimmt. Verändern Menschen Abwägungen zwischen individuellem Bedarf, Leistung und gesellschaftlicher Effizienz in der gesundheitlichen und ökonomischen Krise? Wir untersuchen mithilfe von Daten aus Onlinebefragungen im November 2019 und in der Krise im Mai 2020, welche Bezugsdauern (zumeist) Erwerbstätige für angemessen erachten. Dazu wurden den Teilnehmenden Vignetten mit Beschreibungen hypothetischer Arbeitsloser vorgelegt, deren Charakteristika zufällig variieren. Die Ergebnisse zeigen, dass dieselben Befragten vor und während der Krise sehr ähnliche Bezugsdauern für angemessen halten. Dabei beziehen sie bei der Bemessung der Bezugsdauer für Arbeitslose neben Beitragsprinzipien auch Kriterien der Bedürftigkeit mit ein. So beeinflussen Merkmale wie etwa das Alter der Arbeitslosen, ihr eigenes (Nicht‑)Verschulden, ihre Lebensleistungen oder die Länge ihrer Beitragszahlungen das Urteil, welche Dauer des Leistungsbezugs als angemessen angesehen wird.