Nach einem Ruckblick auf die Entdeckung des ersten freien Radikals w i r d das Wesen dieser Stoffe i m Lichte der neueren elektronentheoretischen Anschauungen betrachtet und die auch heute noch vorhandene Problematik d e r Deutung der Existenz freier Radikale gezeigt. Fragen des Bindungszustandes und Reaktionsvermogens sowie der Raumlage der Substituenten einer Doppelbindung stellen den lnhalt der neueren Forschungsergebnisse an Biradikalen dar. Die gesicherte Existenz instabiler, kurzlebiger freier Radikale, Trager einer hohen Energie und, dadurch bedingt, eines besonderen Reaktionsvermogens f u h r t uns i n eine ,,Neue organische Chemie" m l t einer noch nicht absehbaren Fulle synthetisch-praparativer und angewandt-technischer Moglichkeiten, aus denen die Kettenreaktionen rnit gesattigten und ungesattigten Verbindungen, insbes. die Telomerisation hervorragen.
Freie Radikale langer Lebensdauer
Z u r Entdeckung des ersten freien Radikals, des TriphenylmethylsDie Chemie der freien organischen Radikale beginnt mit der Entdeckung des Triphenylmethyls vor einem halben Jahrhundert durch Moses Gomberg2) an der Universitat Ann Arbor, Michigan. Gelegentlich eines Studienaufenthaltes im Heidelberger Chemischen Institut, das damals unter der Leitung von Viktor Meyer stand, war Gomberg die Synthese des Tetraphenyl-methans gegluckt3), dessen Yonstitution durch die Herstellung des vollig phenylierten Athans, des Hexaphenylathans, gesichert werden sollte. Die Umsetzung des Triphenyl-chlormethans rnit Silber-Pulver ergab, zur Uberraschung des Entdeckers, aber eine neue sauerstoffhaltige Verbindung4), deren Sauerstoff aus der Luft aufgenommen worden war, das T r i p h e n y l m e t h y lp e r o x y d . Bei der analogen Umsetzung unter AusschluR des Luftsauerstoffs entstand eine hochst reaktionsfahige Substanz. Die feste, farblose Verbindung der Zusammensetzung C19H15-wie wir heute wissen, lag das H e x a p h en y l a t h a n vorwurde zunachst als das freie Radikal Triphenylmethyl angesehen, da das Hexaphenylathan -,,gemap ailem, was wir zur Zeit vom Wesen der freien Valenz wissen, eine gesattigte Verbindung sein mupte". -Die scheinbare Existenz des festen Triphenylmethyls wurde durch die Annahme eines dreiwertigen Yohlenstoffatoms gedeutet, und Gomberg meinte, dal3 ,,wenn drei Valenzen eines Kohienstoffafoms durch drei Phen ylgruppen gesattigt sind, es schwie-1) Nach einem Vortrag zur Hauptversammlung der GDCh in YoIn,