Schon heute greift die Mehrheit der NachrichtennutzerInnen aus Industrienationen bevorzugt auf algorithmisch kuratierte Nachrichtenquellen zu. Der erste durch massenmediale Mechanismen geprägte Strukturwandel der Öffentlichkeit, wie Habermas ihn diagnostizierte, wird nun abgelöst oder ergänzt durch die Logik von Algorithmen. Damit steigen sogenannte Informationsintermediäre, also Suchmaschinen, Aggregatoren und Soziale Netzwerke des Internets zu den wichtigsten Gatekeepern auf. Insbesondere personalisierende Algorithmen werden verdächtigt, für eine zunehmend idiosynkratische Information der Einzelnen und auf der aggregierten Ebene der politischen Öffentlichkeit für zunehmende Verzerrung, Fragmentierung oder Polarisierung verantwortlich zu sein. In diesem Beitrag werden auf der Grundlage einer Literaturübersicht erstens die zentralen Mechanismen des neuen Strukturwandels dargestellt. Zweitens werden auf der Grundlage bestehender empirischer Befunde die wichtigsten Befürchtungen zu den Gefahren des algorithmischen Strukturwandels auf Ihre Stichhaltigkeit hin geprüft. Die Forschungslage erweist sich zu allen Gefahren als spärlich, teils widersprüchlich. Gleichwohl finden sich Belege etwa für Polarisierungsprozesse, die allerdings stark von intervenierenden Variablen abhängen.
Facebook ist als eine der reichweitenstärksten Social Media Plattformen längst auch Informationsquelle für politische Nachrichten. Durch dessen Funktion als Informationsintermediär werden Nachrichten intendiert und aktiv, aber auch beiläufig und eher passiv rezipiert. Die Frage nach den Auswirkungen dieser Nutzungsform auf die politische Informiertheit der BürgerInnen ist bisher nur bedingt geklärt. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern die Nutzungsintensität sowie der Nutzungsmodus von Facebook mit dem politischen Faktenwissen der BürgerInnen und ihrem subjektiven Gefühl, gut informiert zu sein, zusammenhängen. Basierend auf Daten einer für die deutschsprachige Bevölkerung Deutschlands repräsentativen Telefonbefragung zeigt sich, dass die Facebook-Nutzung das tatsächliche Faktenwissen nicht beeinflusst. Wohl aber finden sich Unterschiede in der subjektiven Informiertheit, je nachdem ob Facebook gezielt zur Nachrichtenrezeption verwendet wird. Dabei spielt auch das politische Interesse der NutzerInnen eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es darum geht, ob zufällige Informationskontakte auf Facebook einen Beitrag zum Informiertheitsgefühl der BürgerInnen leisten.
Für viele westliche Demokratien wird in den letzten Jahren eine zunehmende Polarisierung der öffentlichen politischen Diskurse und des Parteienspektrums diagnostiziert. In diesem Beitrag stellen wir aktuelle Befunde zur themenspezifischen Polarisierung in Deutschland vor, die wir als Begleiterscheinung des Social Webs interpretieren. Auf der Grundlage der theoretisch plausiblen Vermutung, dass Selektions- und Vernetzungsalgorithmen tatsächlich die Polarisierung von Meinungen zu politischen Themen begünstigen, formulieren wir unsere forschungsleitende Hypothese: "Je stärker Personen Soziale Online-Netzwerke zur Information über politische Themen nutzen, umso stärker werden dadurch ihre politischen Urteile polarisiert." Diese Hypothese wird am Beispiel des Urteils untersucht, das Internetnutzer aus Deutschland zur Migrationspolitik Angela Merkels äußern. Aufgrund der spärlichen empirischen Forschung zu den Bedingungen von Polarisierung durch Medien, untersuchen wir explorativ die intervenierenden Effekte verschiedener Variablen z, die als Determinanten der orientierenden Mediennutzung bekanntermaßen eine Rolle spielen.
Die fortschreitende Entwicklung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien führte in jüngerer Zeit zu einer strukturellen Veränderung der Bereitstellung von Informationen: Die massenmediale Logik wird durch eine Logik der Algorithmen abgelöst, die im Wesentlichen auf Präferenzen und Gewohnheiten der Nutzenden basiert. Damit einher geht die Befürchtung, dass Filterblasen aufgrund technologisch verstärkter selektiver Informationszuwendung entstehen. Diese Annahme ist empirisch bislang nicht bestätigt. Gleichwohl gibt es Hinweise, dass die Zusammenstellung von Inhalten allein auf Basis von Personalisierungsalgorithmen zu einer homogenen und einstellungskonsistenten Auswahl führt. Wenn andererseits Nutzenden die Möglichkeit gegeben, die Empfehlungsmechanismen explizit anzupassen, führt dies zu signifikant häufigerer Selektion von Artikeln mit gegenläufiger Einstellung. Berücksichtigt man, dass die jungen Generationen ihre Nachrichtennutzung und politischen Diskussionen zunehmend in soziale Netzwerke verlagern, wird die Relevanz für eine Analyse algorithmischer Personalisierung aus Perspektive der Nutzenden deutlich.
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