Die weit verbreitete Meinung, wonach die Schweiz mit dem Kolonialismus nichts zu tun gehabt habe, schlägt sich im helvetischen Kontext nicht nur im Geschichtsunterricht nieder, sondern auch in der medialen Berichterstattung, in der Außenpolitik oder in alltäglichen Gesprächen. Selbst in der neueren Historiographie fehlt eine Reflexion der Schweizer Position in der kolonialen Konstellation fast gänzlich. 2 Ist es im Kontrast zu diesem weitgehend fehlenden Problembewusstsein angebracht, so fragten wir Herausgeberinnen uns, von einer »postkolonialen Schweiz« zu sprechen? Und wenn ja, wie lässt sich dieser Begriff begründen? Denn auch wenn man, wie wir es tun, davon ausgeht, dass Schweizer Akteure und Akteurinnen auf vielfältige Weise in die kolonialen Geschehnisse verstrickt waren, stellt sich die Frage: Ergibt es Sinn, postkoloniale Ansätze auf ein Land anzuwenden, das als Nationalstaat nie formale Kolonien besessen hat? Pointiert herausstellen lässt sich die Schwierigkeit, über die Schweiz als kolonialen und postkolonialen Raum nachzudenken, im Vergleich mit einer benachbarten ehemaligen Kolonialmacht. Im französischen Kontext, in dem die Rezeption postkolonialer Ansätze ebenfalls erst vor wenigen Jahren eingesetzt hat, können koloniale Praktiken und ihre postkolonialen Ausläufer direkt an die eigene Kolonialgeschichte zurückgebunden werden. So wird die breite Ausstellungspraxis
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