Ausgeübte und erlittene Gewalt zwischen Kollektiven verschwindet nicht einfach. Ihre psychosozialen Folgen wirken oft über Generationen hinweg fort. Sie werden bewusst und unbewusst tradiert, nonund para-verbal, interaktiv sowie sprachlich. Dies gilt für physische, psychische und symbolische Verletzungen, wie sie in stigmatisierenden Bezeichnungen, Etiketten der Gruppenschande und fantasiegeleiteten Erzählungen über ganze Kollektive zum Ausdruck kommen. Psychosoziale Spätfolgen vergangener, traumatisierender Gewaltbeziehungen zwischen Kollektiven äußern sich in bestehenden, dynamisch verlaufenden Gruppenabgrenzungen und in sozio-emotionalen Bindungsblockaden, die in vorurteilsund affektgeladenen Wissensbeständen über das Eigene und das Andere zum Ausdruck kommen. Am Fallbeispiel der fortwährenden alevitisch-sunnitischen Verletzungsverhältnisse in der postmigrantischen Gesellschaft illustriert dieser Beitrag – exemplarisch am Beziehungsmodus der alevitisch-sunnitischen Ehe – fortwirkende Folgen intergenerational übertragener, potenziell traumatisierender Gewalterfahrungen.