Hansegeschichtsschreibung hat in Kiel Tradition. Seit knapp 170 Jahren und damit bereits vor der Einrichtung des Historischen Seminars an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Jahr 1872 setzen sich Historikerinnen
und Historiker vor Ort mit dem Sujet Hanse auseinander. Dabei lässt sich die ganze Breite an unterschiedlichen, je nach Zeitgeist durchaus variierenden Forschungsperspektiven und -fragen, die in diesem Zeitraum an die
Hanse herangetragen wurden, auch in Kiel wiederfinden: Die seinerzeit vorherrschende militär- und politikgeschichtliche Ausrichtung der kaiserzeitlichen Hansehistoriographie, lässt sich in Kiel genauso prominent
beobachten, wie ihre folgenschwere, damals gleichwohl als innovativ auftretende völkisch-nationalistische Pervertierung in der Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus. Aber auch mit Blick auf die internationale
und methodenübergreifende Neuausrichtung der Hanseforschung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs spielte der Kieler Standort eine zentrale Rolle. Als wohl namhafteste Vertreter
dieses Forschungsfeldes, die zugleich als Professoren zumindest einstweilen an der Kieler Förde ihre Wirkstätte gefunden hatten, lassen sich Ernst Robert Daenell, Friedrich Hermann Rörig und etwa Rolf Hammel-Kiesow
benennen – sie alle haben die wissenschaftliche Erforschung der Hanse bis heute nachhaltig geprägt. Ziel des Aufsatzes ist es nun, die Hansegeschichtsschreibung in Kiel, ihre Ausgangspunkte und Fortentwicklung, bis
in die Gegenwart zu analysieren und schließlich in die je eigenen Forschungsdiskurse einzubetten.