1 Indianische Brücken aus vorspanischer Zeit Aus Mittelamerika sind nur wenige Brücken aus vorspanischer Zeit gut dokumentiert oder gar noch erhalten. Berühmt waren zunächst vor allem die Klappbrücken, die halfen, die vielen Kanäle der Inselstadt Mexiko im Texcoco-See zu überqueren. Sie sind in der Literatur sowie in Stadtplänen und -ansichten beschrieben. Nur wenige Brücken aus Steinplatten konnten bisher bei archäologischen Untersuchungen nachgewiesen werden. Tarabitas genannte Seile, die über einen Fluss gespannt wurden und in einem darunter laufenden Korb Menschen und Güter von einem Ufer zum anderen transportierten, sind als traditionelle Querung in ganz Lateinamerika auch heute noch üblich (Bild 1). Seltener sind hingegen Spannbandbrücken, wie wir sie vielfach aus Südamerika kennen. Weil die Inkas in den Andenstaaten ein insgesamt 6 000 km langes Straßennetz unterhielten, sind auch die spektakulärsten Brücken aus vorspanischer Zeit vor allem dort zu finden. Dieses Straßennetz, in Que-chua Qhapaq Ñan genannt, verband die Machtzentren des Reichs mit den Provinzen und war von grundlegender strategischer Bedeutung. Mangels Zugtieren übernahmen Läufer die Verbreitung von Befehlen, Nachrichten und Waren. Dieses Netz wäre unvollständig ohne Brücken, die es ermöglichten, die unzähligen Schluchten und Flüsse am Wege zu überqueren. Diese Brücken unterlagen strenger militärischer Überwachung; manchmal wurden sie -sicherheitshalber -auch gleich in zweifacher Ausfertigung hergestellt. Als die ersten Europäer den Kontinent erreichten, hatten die indigenen Völker Amerikas bereits über Jh. technisch ausgereifte Konstruktionen entwickelt, bei denen sie die in der Natur verfügbaren Baustoffe effizient eingesetzt haben. Diese Bautechniken beeindruckten die Neuankömmlinge so sehr, dass sie immer wieder ausdrücklich den hohen Stand der Technik lobten, den die indigenen Völker erreicht hatten. In ihren Berichten, Aufzeichnungen und Publikationen erwähnten die europäischen Diese Betrachtung der Geschichte des Brückenbaus in Lateinamerika beginnt mit der vorspanischen Zeit, als die Hochkulturen der Azteken und Mayas in Mittelamerika und der Inkas in den Andenländern erblühten. Die Baustoffe aus der Natur wurden mit geschickten Techniken zum Bauen verwendet. Aus Steinplatten wurden Kraggewölbe gefertigt; Lehmziegel wurden beim Pyramidenbau eingesetzt; Naturfasern aus Gras, Schilf, Lianen wurden zu tragfähigen Seilen geflochten oder zu Schwimmkörpern gebündelt; Holz und Bambus ermöglichten Balkenkonstruktionen. Mit dem Eintritt der Spanier in die Geschichte des Kontinents kommen ab 1492 mit den -bis dahin mangels Rohstoffen unbekannten -Werkzeugen aus Eisen auch neue Bautechniken hinzu, die von der einheimischen Bevölkerung gerne als Verbesserung aufgenommen wurden: Jetzt werden auch Steinbögen beim Bau von Brücken und Aquädukten eingesetzt und europäische Zimmertechniken ermöglichen neue Holzkonstruktionen. Die ab 1810 einsetzenden Unabhängigkeitsbewegungen gingen Hand in Hand mit den technischen Neuerungen der industriellen Revolu...