Wenn man verstehen will, wie sich die Chemie von der des 20. Jahrhunderts in die des 21. Jahrhunderts wandelt, dann muss man erkennen, welche Leitlinien für die Chemie zu Beginn und in der Mitte des 20. Jahrhunderts festgelegt wurden. Georg Wittig war ein Chemiker, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts solche Leitlinien festgelegt hat. Sein Geburtstag hätte sich 1997 zum 100. Mal gejährt. Damit ist Wittig inzwischen eine Person der Chemiegeschichte geworden, eine historische Person.Beim Rückblick auf Vergangenes sieht man Entwicklungen zeitlich gestrafft und mancher (vermeintliche) Ballast wird abgeworfen. Wenn man unter dieser Prämisse sehen will, welche Bedeutung dem Werk von Georg Wittig für die Chemie in unserer Zeit zukommt, dann muss man zunächst eine Bestandsaufnahme machen, was die heutige junge Generation über die Chemie von Wittig weiû. So sind die Wittig-Reaktion und auch die Wittig-Ether-Umlagerung weithin bekannt. Auch die Chemie des Dehydrobenzols wird von vielen mit dem Namen Wittig verknüpft. Wenn die heutige junge Generation jedoch nicht mehr über Wittigs Werk weiû, dann muss man das vor allem der Generation der heute 60-jährigen anlasten, denn sie hat offensichtlich nicht mehr über Wittig an die junge Generation weitergegeben.Ist die Wittig-Reaktion ± die Carbonyl-Olefinierung von Ketonen oder Aldehyden mit Phosphoryliden zu Alkenen ± der bedeutendste Beitrag? Schon bei den ersten Untersuchungen von Wittig und Schöllkopf [1] wurde deutlich, dass es mit dieser Reaktion möglich ist, beispielsweise Cyclohexanon in Methylencyclohexan zu überführen [Gl. (1)], eine Verbindung mit einer semicyclischen Doppelbindung. Strukturen dieser Art waren zuvor nur über Umwege und selten selektiv aufbaubar.So mag es aus heutiger Sicht nicht wundern, dass dieser Aspekt der Wittig-Reaktion unmittelbaren Einzug in die [*] Prof.