Abstract:Was genau ist nun Populismus, und wo verläuft die Trennlinie zwischen Populismus und anderen politischen Phänomenen? Populismus ist kein Anliegen klar identifizierbarer Schichten (oder Klassen), keine Gefühlssache; und ob etwas populistisch ist, lässt sich auch nicht an der Qualität von policy-Angeboten messen. Populismus, so meine These, ist eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut derer einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen -wobei diese … Show more
“…Priester, ). Auf dieser Basis präzisiert Müller den Begriff weiter, indem er die inhaltlich‐konservative Ausrichtung zugunsten des formaleren, antielitären Aspekts zurücknimmt, darüber hinaus aber vor allem den Antipluralismus eines „moralischen Alleinvertretungsanspruch[s]“ als zentrales Kriterium vorschlägt (Müller, , 26).…”
“…Müllers Eingrenzung des Populismus auf zugleich antielitäre und antipluralistische Kräfte weist eine Reihe von Vorteilen auf: Erstens gewinnt man damit ein unterscheidungsstarkes Kriterium, mit dem sich der Populismus von bloß antielitärer, aber nicht unbedingt antipluralistischer Demagogie abgrenzen lässt oder—umgekehrt—von antipluralistischen Extremismen, die sich etwa über religiöse Glaubenssysteme, aber im Gegensatz zum Populismus „nicht über das Kollektivsubjekt Volk“ legitimieren (Müller, , 27). Zweitens bleibt das Kriterium zugleich hinreichend offen, um damit linke und rechte Populisten ebenso erfassen zu können wie die zu einer Art Populismus der Mitte neigenden technokratischen Ansätze, welche mit ihrer postulierten Alternativlosigkeit letztlich genauso „antipluralistisch“ argumentieren (S. 115).…”
“…Viertens wiederum beschreibt Müller den Populismus damit gerade nicht—wie manche Kritiker argumentieren—im Sinne eines ahistorischen Essentialismus (vgl. D'Eramo, , 134), sondern als „eine spezifische, der modernen repräsentativen Demokratie inhärente Gefahr“, die sich zwar nominell auf deren Versprechen „kollektiver Autonomie“ bezieht, jenes Kollektiv aber entpluralisiert und auf eine bestimmte Klientel reduziert (Müller, , 28). Und fünftens schließlich setzt sich dieser Begriff von Populismus zugleich dezidiert von dem vagen, liberal‐paternalistischen Gebrauch des Wortes ab, mit dem etwa jegliche Art von Systemkritik pauschal als vereinfachende Emotionalisierung zurückgewiesen werden kann:…”
“…Zumindest auf den ersten Blick kann die Tea‐Party‐Geschichte daher geradezu urdemokratisch anmuten, wenn sie das Problem individueller Anerkennung als politisch‐kollektives Inklusionsnarrativ erzählt. Und zweifellos zielt dieser „demokratische“ Stil der Konfliktbewältigung auch auf eine gewisse Distinktions‐„Prämie“, insofern der „Titel 'Demokratie'“, wie Müller bemerkt, „noch immer der begehrteste normativ‐politische Begriff weltweit ist“ (Müller, , 70). Doch gerade darin zeigt sich erneut die Komplizität von Hochschilds narrativ‐ästhetisierender Darstellung mit der populistischen Logik ihres Gegenstands.…”
Section: Privileg Und Vulnerabilität: Die Populistische Entpluralisieunclassified
Dieser Beitrag untersucht die aktuellen Erzählkämpfe zwischen Populismus und Antipopulismus aus einer wissensstilistischen Perspektive am Kreuzungspunkt ihrer ästhetischen, epistemischen und politischen Dimensionen. Dazu werden zunächst die inszenatorischen Mechanismen rechtspopulistischer Entpluralisierungsstrategien am Beispiel von Arlie Russell Hochschilds Strangers in Their Own Land (2016) herausgearbeitet. Danach wird diesem populistischen Denkstil—anhand einer Analyse von David Simons und William F. Zorzis HBO‐Miniserie Show Me a Hero (2015)—ein antipopulistisches Wissen gegenübergestellt, dessen Stilistik sich mit Gilles Deleuzes Begriff des minoritär‐stotternden Nicht‐Stils auf eine pluralisierende Insistenz hin lesen lässt. Dabei wird deutlich, dass Show Me a Hero den Konflikt zwischen Rechtsstaat und Populismus als wechselseitigen Abnutzungskrieg um die Frage demokratischer Pluralität inszeniert: Die Serie zeigt einerseits, wie Demokratien durch fortwährende populistische Angriffe bis zur Kapitulation ermattet werden können, stilisiert andererseits aber auch einen Habitus rechtsstaatlicher Resilienz, der im Gegenzug die Kräfte des Populismus zu zermürben und zu redemokratisieren vermag.
“…Priester, ). Auf dieser Basis präzisiert Müller den Begriff weiter, indem er die inhaltlich‐konservative Ausrichtung zugunsten des formaleren, antielitären Aspekts zurücknimmt, darüber hinaus aber vor allem den Antipluralismus eines „moralischen Alleinvertretungsanspruch[s]“ als zentrales Kriterium vorschlägt (Müller, , 26).…”
“…Müllers Eingrenzung des Populismus auf zugleich antielitäre und antipluralistische Kräfte weist eine Reihe von Vorteilen auf: Erstens gewinnt man damit ein unterscheidungsstarkes Kriterium, mit dem sich der Populismus von bloß antielitärer, aber nicht unbedingt antipluralistischer Demagogie abgrenzen lässt oder—umgekehrt—von antipluralistischen Extremismen, die sich etwa über religiöse Glaubenssysteme, aber im Gegensatz zum Populismus „nicht über das Kollektivsubjekt Volk“ legitimieren (Müller, , 27). Zweitens bleibt das Kriterium zugleich hinreichend offen, um damit linke und rechte Populisten ebenso erfassen zu können wie die zu einer Art Populismus der Mitte neigenden technokratischen Ansätze, welche mit ihrer postulierten Alternativlosigkeit letztlich genauso „antipluralistisch“ argumentieren (S. 115).…”
“…Viertens wiederum beschreibt Müller den Populismus damit gerade nicht—wie manche Kritiker argumentieren—im Sinne eines ahistorischen Essentialismus (vgl. D'Eramo, , 134), sondern als „eine spezifische, der modernen repräsentativen Demokratie inhärente Gefahr“, die sich zwar nominell auf deren Versprechen „kollektiver Autonomie“ bezieht, jenes Kollektiv aber entpluralisiert und auf eine bestimmte Klientel reduziert (Müller, , 28). Und fünftens schließlich setzt sich dieser Begriff von Populismus zugleich dezidiert von dem vagen, liberal‐paternalistischen Gebrauch des Wortes ab, mit dem etwa jegliche Art von Systemkritik pauschal als vereinfachende Emotionalisierung zurückgewiesen werden kann:…”
“…Zumindest auf den ersten Blick kann die Tea‐Party‐Geschichte daher geradezu urdemokratisch anmuten, wenn sie das Problem individueller Anerkennung als politisch‐kollektives Inklusionsnarrativ erzählt. Und zweifellos zielt dieser „demokratische“ Stil der Konfliktbewältigung auch auf eine gewisse Distinktions‐„Prämie“, insofern der „Titel 'Demokratie'“, wie Müller bemerkt, „noch immer der begehrteste normativ‐politische Begriff weltweit ist“ (Müller, , 70). Doch gerade darin zeigt sich erneut die Komplizität von Hochschilds narrativ‐ästhetisierender Darstellung mit der populistischen Logik ihres Gegenstands.…”
Section: Privileg Und Vulnerabilität: Die Populistische Entpluralisieunclassified
Dieser Beitrag untersucht die aktuellen Erzählkämpfe zwischen Populismus und Antipopulismus aus einer wissensstilistischen Perspektive am Kreuzungspunkt ihrer ästhetischen, epistemischen und politischen Dimensionen. Dazu werden zunächst die inszenatorischen Mechanismen rechtspopulistischer Entpluralisierungsstrategien am Beispiel von Arlie Russell Hochschilds Strangers in Their Own Land (2016) herausgearbeitet. Danach wird diesem populistischen Denkstil—anhand einer Analyse von David Simons und William F. Zorzis HBO‐Miniserie Show Me a Hero (2015)—ein antipopulistisches Wissen gegenübergestellt, dessen Stilistik sich mit Gilles Deleuzes Begriff des minoritär‐stotternden Nicht‐Stils auf eine pluralisierende Insistenz hin lesen lässt. Dabei wird deutlich, dass Show Me a Hero den Konflikt zwischen Rechtsstaat und Populismus als wechselseitigen Abnutzungskrieg um die Frage demokratischer Pluralität inszeniert: Die Serie zeigt einerseits, wie Demokratien durch fortwährende populistische Angriffe bis zur Kapitulation ermattet werden können, stilisiert andererseits aber auch einen Habitus rechtsstaatlicher Resilienz, der im Gegenzug die Kräfte des Populismus zu zermürben und zu redemokratisieren vermag.
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