A. Einleitung, Grenzen der EvolutionsforschungAlle Autoren, die sich rnit dem Nervensystem der Metazoen in neuerer Zeit befaflt haben, sind sich dahingehend einig, dafl die Ausgangsstruktur fur das Nervensystem der Vielzeller in einem netzformigen, aus bi-und multipolaren Ganglienzellen und primaren Sinneszellen zusammengesetzten unregelmafiig netzformigen Hautnervenplexus bestanden haben mufl, wie er stellenweise poch bei den heute lebenden Cnidariern nachzuweisen ist, bei denen es allerdings an bestimmten Stellen, wie etwa in der Fuflscheibe, in der Schlundrinne und im Schirmrand bereits zur Ausbildung von eigenen Bahnen gekommen ist, die einer gerichteten Erregungsleitung dienen. Unberucksichtigt blieb dabei meistens das Niveau der am Aufbau des Nervensystems beteiligten Neurone, d. h. deren epitheliale, basiepitheliale oder subepitheliale Lage. (Vergl. S. 9). Den schonsten Modellfall fur diese Entwicklung eines unregelmaflig netzformigen Nervenplexus zu einem System mit regelmaflig angeordneten Langskonnektiven und Kommissuren gibt das sog: Stranggewebe, der Ctenophoren ab, bei denen unterhalb der ,,Rippen", d. i. der Ruderplattchenreihen, langsverlaufende und querverlaufende subepitheliale Leitungsbahnen entwickelt sind, ein Befund, der uns sehr schon zeigt, wie die Entwicklung des Nervensystems der Bilaterien vor sich gegangen sein konnte, ohne damit eine Ableitung letzterer von den Rippenquallen im Sinne der LANGschen Ctenophoren-Theorie vertreten zu wollen. Ich selbst habe bereits 1924 darauf hingewiesenwobei Befunde an Bothrioplana semperi BRaun den entscheidenden Anstofl gegeben haben -, daf3 sich bei den Bilaterien, in Sonderheit bei den Spiraliern der ursprunglich unregelmaflig, netzformige Nervenplexus vom Cnidaria-Typ, sicherlich im Zusammenhang mit der Ausbildung des Hautmuskelschlauches und der Bewegung, in ein System von mehreren, anfanglich gleichwertigen Langsnervenstrangen von Markstrangcharakter mit verbindenden, haufig pseudometamer angeordneten Ringkommissuren umgebildet hat, dafl also das unregel-mai3ige Nervennetz ein System mit mehr oder weniger rechtwinkelig angeordneten Strangen geworden ist. Ich habe fur ein Nervensystem dieses Typs den Ausdruck Orthogon gepragt und HANSTROM hat bereits 1926 uberzeugend dargelegt, dafl sich diese von mir entwickelte Orthogon-Theorie des peripheren Nervensystems auf die meisten protostomen Evertebraten anwenden laflt und alp Prototyp des Nervensystems aller Spiralia aufgefaflt werden kann, aus dem sich die in der Natur verwirk-2. zool. Sysr. Evo1ut:forrch. 10 (1972) 1-43