Eine Methode zur Polarographie von kurzlebigen Radikalen (<10−4s) wird beschrieben. Die Radikale werden durch einen 50 ns‐Puls energiereicher Elektronen in der Umgebung eines fallenden Hg‐Tropfens erzeugt. Durch Registrierung der Strom‐Zeit‐Kurve nach dem Strahlpuls und bei verschiedenen Potentialen der Hg‐Elektrode wird das Polarogramm erhalten. Als Ausgangsstoffe dienten Nitrobenzol, gesättigte Alkohole, Benzol und Ameisensäure in verdünnter wäßriger Lösung; untersucht wurden die aus ihnen durch Angriff des hydratisierten Elektrons oder Hydroxyl‐Radikals entstehenden Radikale. Die Methode wurde am Beispiel der Oxydation des C6H5NO2+‐Radikalanions überprüft.
Die Halbstufenpotentiale zur Oxydation der α‐Alkoholradikale sind für die basische Form der Radikale negativer als für die saure. Z. B. beträgt E1/2 – 0,98 V für °CH2OH und ‐1,73 V für °CH2O− (gegen gesättigte Kalomel‐Elektrode). Eine Reduktion konnte bei stark negativem Elektrodenpotential nur für das Methanolradikal nachgewiesen werden. Aus den Halbstufenpotentialen läßt sich abschätzen, ob eine Substanz durch ein α‐Alkoholradikal reduziert wird. Der Vergleich mit beobachteten Elektronenübertragungsreaktionen zeigt, daß das Oxydations‐Halbstufenpotential des α‐Alkoholradikals um einige 0,1 V negativer sein muß als das Reduktionshalbstufenpotential eines organischen Akzeptors.
β‐Alkoholradikale werden an der Hg‐Elektrode leicht reduziert. Besonders niedrig ist das Halbstufenpotential zur Reduktion des Hydroxyzyklohexadienyl‐Radikals, was auf die Resonanzstabilisierung des intermediär entstehenden Carbeniat‐Anions zurückgeführt wird. Die Oxydation der β‐Alkoholradikale beginnt bei null Volt (gegen gesättigte Kalomel‐Elektrode). Das geringe Reduktionsvermögen der β‐Alkoholradikale gegenüber gelösten Substanzen wird hierdurch verständlich.
Die Halbstufenpotentiale zur Oxydation und Reduktion des Carboxylradikals liegen relativ eng zusammen. Dies gilt sowohl für die saure Form COOH als auch die basische Form CO2− des Radikals.
Katalase reagiert in wäßriger Lösung mit dem hydratisierten Elektron und mit dem OH‐Radikal mit Geschwindigkeitskonstanten von 3,7.109 bzw. 8,3.1010 Mol−11. sec−1. Die Reaktion OH + Katalase it diffusionskontrolliert, obgleich ein Teil der Aminosären der Katalase im isolierten Zustand nicht bei jeder Begegnung mit einem OH‐Radikal reagiert. Aus den Messungen ergibt sich ein Diffusionskoeffizient des OH‐Radikals von 2,3.10−5 cm2. sec−1. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Strahlenzersetzung der Katalase in wäßriger Lösung und auf den Einfluß der Katalase auf die Strahlenempfindlichkeit biologischer Systeme diskutiert. Es wird ferner eine Hypothese vorgetragen, nach der Reaktionen kleiner Radikale mit Monomeren, die zwar schnell, aber nicht ausschließlich diffusionskontrolliert enfolgen, zu diffusionskontrollierten Prozessen werden können, wenn der Reaktionspartner eine aus derselben Grundeinheit aufgebaute Makromolekel ist.
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