Bei sauberer Oberfläche und kleiner Stromdichte findet an einer Palladiumkathode als elektrochemischer Vorgang nur ein Protoneneintritt statt, wie durch Messungen der Gasentwicklungsgeschwindigkeit festgestellt wird. Durch Erhöhung der Stromdichte und Vergiftung des Protonendurchtritts werden andere Arten der Wasserstoffabscheidung ausgelöst, wird das „ideale”︁ Verhalten aufgehoben.Beim idealen Verhalten finden demnach nur zwei Reaktionen statt: Der Protonendurchtritt (A) und der Durchtritt neutralen Wasserstoffs (B). Beide Reaktionen umfassen je eine Hin‐ und Rückreaktion und sind durch eine Austauschstrom‐ bzw. ‐flußdichte charakterisiert, die beide von der Oberflächenbeschaffenheit stark abhängig sind. Vergiftungen wirken in verschiedener Weise auf A und B ein. Bei unseren mäßig aktivierten Palladiumoberflächen erwies sich die Neutralreaktion B nicht als diffusions‐, sondern als reaktionsbegrenzt.Die entwickelten Vorstellungen ermöglichen eine Weiterführung der Theorie der „vorübergehenden”︁ und „bleibenden”︁ Polarisation der Palladium—Wasserstoff‐Elektrode. Gestützt wird die Theorie durch Versuche mit der Palladiumdiffusionselektrode. (Alle Versuche beschränken sich auf schwefelsaure Elektrolytlösungen.)Komplikationen, die in besonders starkem Maße bei anodischen Stromspannungskurven auftreten, werden durch die Annahme gedeutet, daß die äußersten, an der Elektrodenoberfläche hervorragenden Pd‐Kristallite, deren H‐Gehalt für das meßbare Potential maßgebend ist, in schlechtem H‐Diffusionskontakt mit den inneren Kristalliten stehen. Hierdurch wird verständlich, daß eine H2‐Entwicklung noch stattfindet, wenn durch eine anodische Polarisation oder Oxydationsmittel bereits ein sehr positives Potential erreicht ist. Die Gasentwicklung erfolgt in den Vertiefungen, die Potentialbildung an den Erhebungen der Oberfläche. Diese Vorstellung ist entscheidend auch für die Deutung der Stromspannungskurven.