ZusammenfassungDieser Beitrag fragt nach der Funktion des Deutschen Ethikrats (ER) und beantwortet diese Frage aus einer verfahrenssoziologischen Perspektive. Unsere Ergebnisse zeigen, dass es dem ER als Verfahren gelingt, Perspektivendifferenzen einer funktional differenzierten Gesellschaft zu entdramatisieren, indem sich hier funktionale Äquivalente einer Konsens- und Verständigungspraxis etablieren. Anstatt die fehlenden Ressourcen des ER zur Anbahnung von Entscheidungen zu beklagen, arbeiten unsere Analysen von Wortprotokollen des ER vielmehr drei latente Verfahrensfunktionen heraus. Als Verfahren nutzt der ER die Inkommensurabilität unterschiedlicher Perspektiven geradezu als Ressource, wenn er vorführt, dass sich Wissen zur Fundierung einer Entscheidung eben nicht auf lediglich einen guten Grund gründen lässt (1). Darüber hinaus stellt die epistemische Politik des ER die Differenz unterschiedlicher sachlicher Perspektiven in ihrem Konflikt aus (2). Im ER wird dabei eine Form ethischer Rede sichtbar, die sich nicht als interaktionsnah gebaute moralische Achtung realisiert, sondern als verfahrensgebundene ethische Expertenkommunikation (3).